Serie: Kleinräumige Disparitäten in Österreich (Teil 1)

Teil 1: Gmunden, ein zweigeteilter Bezirk

Bezirksweite Daten liefern in Österreich meist Anhaltspunkte für regionale Analysen. Darunter liegende Disparitäten bleiben jedoch häufig unbeachtet. Die neue Artikelserie zeigt anhand von Bevölkerungsdaten die Notwendigkeit kleinräumiger Entwicklungsmaßnahmen auf.

Problemaufriss

Rund vier Millionen Österreicherinnen und Österreicher leben im ländlichen Raum. Doch der Begriff selbst ist irreführend, da er ein einheitliches Gebiet suggeriert. Regionen am Land unterscheiden sich jedoch hinsichtlich ihrer Entwicklungsmöglichkeiten beträchtlich.

Ausschlaggebend dafür sind etwa geografische Gegebenheiten, touristische Potenziale, Verkehrsanbindungen oder ganz allgemein der infrastrukturelle Ausbau. Die Folgen sind meist in der Bevölkerungsentwicklung bzw. an den Wanderungsströmen (Zu- und Abwanderung) erkennbar.

Unterschiedliche regionale Entwicklungen werden häufig anhand von Bezirksdaten dargestellt – etwa für österreichweite Vergleiche. Diese blenden jedoch darunter liegende, teilregionale Disparitäten aus und können bestehende Problembereiche verdecken. Für diese neue Artikelserie wurden daher die verfügbaren statistischen Daten so aufbereitet, dass sie eine Analyse unterhalb der Bezirksebene zulassen.

Gmunden: Ein Bezirk, zwei Bevölkerungsentwicklungen

Der Bezirk Gmunden verbindet in einzigartiger Weise Tradition und Moderne. Brauchtum und Gegenwartskultur treffen hier wie selbstverständlich aufeinander. Doch die historisch gewachsene Region steht vor Herausforderungen: Zahlreiche Gemeinden sind von Abwanderung betroffen, wie ein Blick auf die Strukturdaten der letzten beiden Jahrzehnte zeigt.

101.631 Menschen lebten im vergangenen Jahr im Bezirk – ein Rekord. Seit einigen Jahren gibt es auch wieder eine positive Bevölkerungsentwicklung zu beobachten, nachdem es zwischen 2001 und 2011 einen Stillstand gegeben hatte.

Allerdings entwickelte sich Gmunden nicht gleichmäßig, vielmehr ist der Bezirk zweigeteilt: Das Wachstum fand zwischen 2001 und 2019 fast ausschließlich in der nördlichen Teilregion („Äußeres Salzkammergut“) statt, während die Gemeinden im Süden („Inneres Salzkammergut“) an Bevölkerung verloren.

Zu den Wachstumsgemeinden zählten demnach insbesondere Laakirchen, Gschwandt, Ohlsdorf und Pinsdorf. Ebensee, Hallstatt und Gosau waren hingegen mit stärkeren Bevölkerungsrückgängen konfrontiert.

Ein Blick auf Hallstatt im „Inneren Salzkammergut“.

Zusammenfassend zeigt die kommunale Bevölkerungsentwicklung: Zwischen 2001 und 2019 wuchsen neun Gemeinden im nördlichen Teil des Bezirkes. Sieben Kommunen im „Inneren Salzkammergut“ mussten hingegen leichte bis stärkere Verluste hinnehmen. In den restlichen vier Gemeinden, die sich auf die beiden Teilregionen verteilen, stagnierte die Bevölkerungsentwicklung.

Zuzug vom Ausland hilft Abwanderungsgemeinden

Ein Blick auf die verschiedenen Komponenten der Bevölkerungsveränderung gibt darüber Aufschluss, wie es in den sieben Gemeinden zu einem Bevölkerungsrückgang gekommen ist. So gab es zwischen 2017 und 2018 in vier Kommunen negative Geburtenbilanzen, also mehr Sterbefälle als Geborene. Ebenfalls in vier Gemeinden war in den beiden genannten Jahren die Binnenwanderung negativ. Dazu zählen alle Wohnsitzwechsel über die Gemeindegrenzen, die sich innerhalb Österreichs vollziehen. In den restlichen drei Kommunen war die Binnenwanderung in einem der beiden Jahre negativ.

Konträr verhält es sich hingegen mit der Außenwanderungsbilanz, die einen Zu- bzw. Wegzug über die österreichische Staatsgrenze hinweg erfasst. Diese war in sechs der sieben Gemeinden positiv. Zugespitzt formuliert, konnte somit der Zuzug vom Ausland die Bevölkerungsrückgänge vor Ort etwas abschwächen.

Wachstums- und Schrumpfungsprozesse in der überregionalen Perspektive

In Österreich lässt sich – wie in vielen anderen Ländern auch – ein allgemeiner Trend feststellen: Zentralräume wachsen, ländliche Regionen sind hingegen mit Bevölkerungsrückgängen konfrontiert. Am Land gibt es allerdings – abhängig von der Lage und den dortigen Entwicklungsmöglichkeiten – ebenfalls Unterschiede zu beobachten, wie ein weiterer Blick auf den Bezirk Gmunden zeigt.

So profitieren die Gemeinden im „Äußeren Salzkammergut“ beispielsweise vom Autobahnanschluss in Laakirchen. Der dadurch gegebene Zugang zum übergeordneten Straßennetz stellt für Pendlerinnen und Pendler sowie generell für die regionale Wirtschaft einen wichtigen Standortvorteil dar. Auch die kurze Distanz nach Vöcklabruck kann als Standortvorteil angesehen werden – die gleichnamige Stadtgemeinde im Hausruckviertel ist etwa das Zentrum der Vöckla-Ager-Senke mit überregional bedeutenden Unternehmen. Der südliche Teil Gmundens, das „Innere Salzkammergut“, muss sich hingegen mit einer verkehrstechnischen Randlage abfinden. Wer beispielsweise von Bad Ischl nach Salzburg pendelt, muss pro Tag mit durchschnittlich 1 ¾ Stunden Fahrtzeit rechnen.

Der Kurpark im Zentrum von Bad Ischl.

Gemeinden bzw. Regionen in Randlagen sind häufig von negativen Bevölkerungsentwicklungen betroffen. Nicht selten kommt es in diesen Gegenden zur Abwanderung junger, gut ausgebildeter Menschen, die nach ihrer Ausbildung nicht mehr nach Hause zurückkehren. Diese Entwicklung wird durch den demografischen Wandel weiter verschärft – Investitionsrückgänge und Infrastrukturabbau können die weiteren Folgen sein. Der entstehenden Abwärtsspirale ist nur schwer zu entkommen, aber möglich. Voraussetzung dafür ist allerdings eine gemeinsame Kraftanstrengung aller EntscheidungsträgerInnen, um die vorhandenen Chancen konsequent zu nützen.

Alexander Neunherz

Anmerkungen:
(1) Die Aussagen zur Bevölkerungsentwicklung beziehen sich auf den Beobachtungszeitraum zwischen 2001 und 2019. Darüber hinausgehende Feststellungen sind nicht zulässig.
(2) Als Bewertungsgrundlage wurden unter anderem die Indexwerte der Gemeinden zwischen 2001 und 2019 herangezogen und interpretiert.

Fotocredits: 
Alexander Neunherz (3)

Titelfoto:
Ebensee am Traunsee

Datenquelle:
Statistik Austria, Ein Blick auf die Gemeinde