Auf dem Parteitag 1924 in Salzburg wurde die Einsetzung einer „Agrarpolitischen Kommission“ beschlossen, die mit der Ausarbeitung eines sozialdemokratischen Agrarprogramms betraut wurde.
Ein knappes Jahr später, am 27. September 1925, berichtete die „Arbeiter-Zeitung“ ausführlich über den vorliegenden Entwurf, der vor allem die Gesellschaftsordnung in der österreichischen Landwirtschaft anprangerte. Mit Blick auf Großbritannien wurde davor gewarnt, dass „in der kapitalistischen Gesellschaft der landwirtschaftliche Großbetrieb den Bauern ebenso niederkonkurrieren werde, wie etwa die Seifenfabrik den Seifensieder niederkonkurriert hat“ [1].
Zentrales Thema der 1920er Jahre war die Bodenreformdebatte, die von der Sozialdemokratischen Partei vehement angefacht wurde. So besaßen etwa 70 Prozent der Kleinbäuerinnen und -bauern des Burgenlands nur knapp ein Viertel der Kulturfläche des Landes – ein weiteres knappes Viertel war unter 15 (!) adeligen bzw. kirchlichen Großgrundbesitzerinnen und -besitzern aufgeteilt. [2]
Der Programmentwurf sah sich auch als Antwort auf die Panikmache des bürgerlichen Lagers, „am Tage nach seinem Siege werde der Sozialismus den Bauern Haus und Hof wegnehmen“ [2]. Erklärtes Ziel des neuen Programmes war es demnach, „die Vorurteile des Landvolkes zu überwinden, die Zweifelfragen der Kleinen im Dorfe zu beantworten, die Einwände der Gegner abzutun […]“ und zahlreiche neue Mitstreiterinnen und Mitstreiter in ländlichen Regionen zu gewinnen.
Für den Entwurf des Agrarprogramms wurden die Schriften von Arthur Young und Albrecht Daniel Thaer ebenso herangezogen wie „Die Agrarfrage“ von Karl Kautsky (1899) oder „Der Kampf um Wald und Weide“ von Otto Bauer (1925).
Otto Bauer beschrieb in seinem Werk die unterschiedlichen Besitzkategorien innerhalb der Bauernschaft und kam dabei auf die ersten Klassenkämpfe in den Dörfern zu sprechen: „Oft gelang es den Alteingesessenen […], die Nutzung der gemeinen Weide und des gemeinen Waldes für sich zu monopolisieren und alle späteren Ansiedler von ihr auszuschließen.“ [3]
Weitere zentrale Forderungen aus dem Agrarprogramm:
- Befreiung der Landwirtschaft von der Ausbeutung durch das Handelskapital
- Maßregeln gegen die Überschuldung der Landwirtschaft
- Reform der Besteuerung der Landwirtschaft
- Ausbau des Arbeiterrechtes, des Arbeiterschutzes und der Arbeiterversicherung
- Errichtung von Heimstätten für besitzlose Landarbeiter
- Schutz der Eigenwirtschaft der grundbesitzenden Landarbeiter
- Vergrößerung des Grundbesitzes der Gemeinden
Autor
Alexander Neunherz
Fotocredit
Quelle: gemeinfrei
Quellen
[1] N.N. (1925): Das sozialdemokratische Agrarprogramm. In: Arbeiter-Zeitung, 27. September, 1.
[2] Floiger, Michael: Landwirtschaft in der Zwischenkriegszeit. http://www.atlas-burgenland.at/index.php?option=com_content&view=article&id=361:landwirtschaft-in-der-zwischenkriegszeit&catid=27&Itemid=101 [Zugriff: 05.03.2019].
[3] N.N. (1925): Das sozialdemokratische Agrarprogramm. In: Arbeiter-Zeitung, 27. September, 1.
[4] Bauer, Otto (1925): Der Kampf um Wald und Weide. Studien zur österreichischen Agrargeschichte und Agrarpolitik. Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung.