Die Europäische Union hat sich zum Ziel gesetzt, den ländlichen Raum langfristig zu stärken. Derzeit gibt es dazu die Möglichkeit, Vorschläge in informeller Weise einzubringen. Auch wir haben uns daran beteiligt und folgenden Beitrag zum Thema verkehrliche Anbindung verfasst:
Ländliche Gebiete unterscheiden sich in ihren Entwicklungsmöglichkeiten beträchtlich: Während Gemeinden und Dörfer im Umland von Städten von einer hohen Siedlungsdynamik profitieren, sind periphere Regionen oftmals mit einer Reihe von Problemen konfrontiert. Die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse muss deshalb ein Schwerpunktthema der europäischen Politik sein. Dabei stellt sich unter anderem die Frage, wie die verkehrliche Anbindung verbessert werden kann?
Vor rund 100 Jahren waren Dörfer infrastrukturell noch relativ autark – sie verfügten über ausreichend Gewerbe- und Handwerksbetriebe und über eine gut funktionierende Nahversorgung mit Waren des täglichen Bedarfs. Die vorhandenen Buslinien und Nebenbahnen führten in die regionalen Zentralorte und dort zu den diversen Fernverkehrsangeboten.
Diese Situation hat sich grundlegend geändert: Die zunehmend ausgedünnte Infrastruktur in ländlich-peripheren Gebieten trägt zu einer immer schlechter werdenden Grundversorgung mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen und zu einem unzureichenden Arbeitsplatzangebot bei. Geschäfte, Lokale oder Firmen sind jedoch nicht gänzlich verschwunden, sondern meist ins nächstgelegene Zentrum abgewandert. So fallen immer größere Entfernungen zum Arbeitsplatz, für Behördenwege oder zum Einkaufen an, die überwiegend mit dem eigenen PKW zurückgelegt werden. Dies wird durch eine Verkehrsinfrastruktur begünstigt, die seit Jahrzehnten auf den Individualverkehr ausgerichtet ist (Straßennetzausbau, Motorisierungsgrad usw.).
So ist es auch nicht verwunderlich, dass für rund 1.250.000 Menschen in Österreich lediglich eine Basiserschließung des „Öffentlichen Verkehrs“ zur Verfügung steht und 1.350.000 Personen gänzlich ohne eine solche auskommen müssen (vgl. ÖREK 2017). Die Neugestaltung der Verkehrspolitik am Land braucht deshalb flexible Lösungen für öffentliche Verkehrsmittel und die Bereitschaft, dringend notwendige Geldmittel dafür zur Verfügung zu stellen. Dabei sind schnelle und gut-getaktete Linien für die Verkehrsachsen ebenso von Bedeutung wie kostengünstige und individuelle Lösungen für die Quell- und Zielräume abseits der regionalen Hauptverkehrsstraßen – beispielsweise durch BürgerInnenbusse, Anrufsammeltaxis oder entsprechende Gemeindeangebote (Stichwort „Mikro-ÖV-Systeme“).
Der ländliche Raum benötigt somit eine Offensivstrategie für den „Öffentlichen Verkehr“ und ein entschiedenes Auftreten gegen den weiteren (verkehrstechnischen) Infrastrukturabbau (Stichwort Bus und Bahn). Dafür ist es notwendig, ein Mobilitätskonzept zu entwickeln, welches sich nicht nur mit klassischen Fragen der Verkehrspolitik auseinandersetzt, sondern auch die Raumordnung und hier vor allem die Baulandentwicklung miteinbezieht.
Alexander Neunherz