Mahlzeit statt Müll: Vorzeigeprojekt gegen Food Waste in Wien

Der Samariterbund (ASB) engagiert sich in der Lebensmittel-Abfallvermeidung und unterstützt damit den Klimaschutz und bedürftige Menschen.

„Die stark gekrümmte Gurke schmeckt genauso gut“, sagt Christian Schmidt. Er ist einer, der es wissen muss. Seit vielen Jahren ist er im Gemüseanbau tätig, 2014 eröffnete er seinen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb auf der Simmeringer Haide, wo er neben Gurken auch Paradeiser, Paprika und viele verschiedene Salate und Kräuter anbaut. „Wir leben von unserem Anbau. Da ist es naturgegeben, dass wir nichts wegschmeißen wollen“, sagt Schmidt.

Dass künftig auch die KundInnen der Sozialmärkte des Samariterbund Wiens Produkte aus seinem Anbau erhalten werden, freut Schmidt, Landesvorsitzender der SPÖ Bäuerinnen und Bauern. Gemeinsam mit einigen anderen LandwirtInnen spendet er künftig jede Woche zu stark gekrümmte Gurken oder zu klein geratene Paradeiser, Kohlrabi, Radieschen und andere Produkte, die es als sogenannte Klasse 2 Ware nicht in die Supermärkte schaffen und auch nicht vermarktet werden können, aber dennoch ausgezeichnet genießbar sind. Der Samariterbund gibt diese Waren in einer der fünf Sozialmarkt-Filialen an bedürftige Menschen weiter.

„Ich kann nur den Hut ziehen, dass es Organisationen wie den ASB gibt, die Menschen unterstützen, denen es wirtschaftlich nicht so gut geht“, sagt Schmidt. „Unser Dank gilt den landwirtschaftlichen Betrieben, die unser Projekt zur Lebensmittel-Abfallvermeidung unterstützen und ihre guten Waren spenden“, bedankt sich Oliver Löhlein, Geschäftsführer des Samariterbund Wiens bei allen SponsorInnen und UnterstützerInnen dieser Kooperation.

Retter der Lebensmittel

„Der Samariterbund holt die Waren einmal wöchentlich ab. Die Bäuerinnen und Bauern, die das Projekt unterstützen, spenden jene Menge, die sonst übrig bleibt, das variiert von Woche zu Woche“, weiß Isabella Haunschmid. Sie ist Landessekretärin der Wiener SPÖ Bäuerinnen und Bauern und eine begeisterte Unterstützerin des Projekts gegen Food Waste. Nicht wegschauen, sondern unbürokratisch helfen, ist ihr Motto. „Ich habe mich sofort dafür eingesetzt, dass die Kooperation schnell zustande kommt. Sie ist für alle ein großer Gewinn“, freut sich Haunschmid.

Die Verschwendung von Lebensmitteln nimmt immer größere Ausmaße an und belastet die Umwelt massiv. In Österreich werden rund 20 Prozent des CO2-Fußabdrucks durch die Herstellung und Weiterverarbeitung von Nahrungsmitteln verursacht. Weltweit werden 40 Prozent der erzeugten Nahrungsmittel nie gegessen, sondern entsorgt. Die Lebensmittelverschwendung ist für unglaubliche 3,3 Gigatonnen CO2 Emissionen verantwortlich und damit sogar der drittgrößte Klimasünder nach den USA und China.

Allein in Österreich landet jährlich rund eine Million Tonnen genießbarer Nahrungsmittel im Müll. Ein Teil davon kommt von Speisen aus der Außer-Haus-Verpflegung. Darunter versteht man Speisen, die in Großküchen, für das Catering oder in Kantinen zubereitet werden. Hier ist es nicht immer leicht einzuschätzen, wie viele der zubereiteten Speisen auch tatsächlich gegessen werden. Das traurige Ergebnis sind Unmengen an Abfall.

„Um einen wesentlichen Beitrag zur Lebensmittel-Abfallvermeidung zu leisten, müssen wir Nahrungsmittel entlang der gesamten Wertschöpfungskette von der Produktion in der Landwirtschaft bis hin zur zubereiteten Speise in unserer Arbeit berücksichtigen“, sagt Oliver Löhlein, der sich seit Jahren in den verschiedensten Bereichen des ASB für ökologische Nachhaltigkeit einsetzt.

Das Österreichische Ökologie Institut hat nun gemeinsam mit dem Samariterbund Wien und den Partnern Impacts Cateringsolutions GmbH, Social food vienna und der Stadt Wien – Prüf-, Inspektions- und Zertifizierungsstelle (MA 39) ein klimafreundliches Projekt ins Leben gerufen und ist damit von Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky mit dem ersten Nachhaltigkeitspreis der Stadt Wien ausgezeichnet worden: Die „Lebensmitteldrehscheibe Wien – Soziale Weitergabe von Speisen aus der Außer-Haus-Verpflegung“.

Lebensmittelrettung und Klimaschutz

Dabei wurde ein Modell entwickelt und getestet, das der Weitergabe von genießbaren Lebensmitteln und Speisen aus Großküchen dient, die derzeit entsorgt werden müssen. Nach diesem Modell können Speisen nun sicher und in rechtlichem Rahmen an soziale und sozio-ökonomische Einrichtungen weitergegeben werden. Der Samariterbund Wien ist dabei verlässlicher Logistik-Partner in der Abholung und Weitergabe der Lebensmittel an armutsgefährdete Menschen.

Wie kann man PartnerIn der Lebensmitteldrehscheibe werden?

Für eine möglichst flächendenkende Lebensmittelrettung in Wien und Umgebung werden gerne weitere PartnerInnen in das Projekt Lebensmitteldrehscheibe aufgenommen. Als Partner konnten bereits die renommierten Firmen Radatz, Gourmet, Eurest Österreich GmbH und der Catering-Spezialist Food affairs FEINE ESSKULTUR gewonnen werden. „Wir freuen uns, dass wir bereits einige namhafte PartnerInnen gewinnen konnten, die ihre hochwertigen Produkte bei Bedarf an die Lebensmitteldrehscheibe weitergeben. Je mehr Lebensmittel wir retten, desto effizienter können wir Notleidenden helfen und Ressourcen schonen. Gerne nehmen wir weitere Partner aus der Außer-Haus-Verpflegung auf, die Lebensmittel abgeben wollen“, sagt Georg Jelenko, Leiter der Sozialmärkte des Samariterbund Wiens: „Die Abholung wird unkompliziert durch den Samariterbund organisiert.“

>> Kontakt für potentielle Lebensmittel-SpenderInnen

Susanne Kritzer

16/11/2021